Tour-Nummer: 03 / 2012
Seit Hape Kerkeling ist Pilgern „in“. Doch nicht nur bis Santiago de Compostela, auch in Schleswig-Holstein lässt sich pilgern – und zwar auf dem Ochsenweg, der im Mittelalter zu den Hauptpilgerrouten Richtung Rom, Jerusalem und Santiago zählte. Auf diesen geschichtsträchtigen Spuren wollen Meike, ihr Mann Dieter und ich also wandeln. Für den Anfang auf dem 45 Kilometer langen Abschnitt von Flensburg bis Schleswig.
An einem sonnig-warmen Sonntagmorgen finden wir auf dem Bahnhofsvorplatz in Flensburg das Symbol für den Pilgerweg-Einstieg. Und die Sache läuft gut an: Wir sind beglückt von der Schönheit der Natur, laben uns an einem reich behängten Kirschbaum am Wegesrand und grüßen die Teilnehmer eines Langstreckenlaufs. So ziehen die ersten zwei Stunden schnell vorbei.
In den Fröruper Bergen dann die erste Pilgerhütte: Das schreit natürlich nach einer weiteren Pause. Und auch im Herzen von Sieverstedt legen wir gern einen Stopp ein. Zweifel melden sich. Noch ist nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft. Haben wir uns vielleicht übernommen?
Weit ist die Natur zwischen Stenderup und Stolkerfeld, weit ist es noch bis Schleswig. In Lürschau geht dann nichts mehr: Erschöpft und enttäuscht hisst Dieter die weiße Pilgerflagge. Ein Taxi wird gerufen. Zu zweit ziehen Meike und ich weiter. Längst dräut die Dämmerung, und mit letzter Kraft erreichen wir schließlich den Schleswiger Bahnhof. Den Tränen nahe fallen wir uns in die Arme. Völlig erschöpft. Und irgendwie erleuchtet.
Eckhard Voß
Ö:
Ab Kiel und Neumünster stündlich mit Regionalexpress oder Regionalbahn nach Flensburg Hbf, von Schleswig geht es ebenfalls stündlich zurück.
Info:
Pilgerroute – das ist der Name des deutsch-dänischen Fernwanderwegs, der sich am historischen Ochsenweg orientiert. Die 200 Kilometer lange Pilgerroute von Vejen bis Rendsburg ist mit Wegweisern beschildert, die auf einem gelben Kreis blaue Fußabdrücke darstellen. Die Route läuft weitgehend parallel zum Europäischen Jakobsweg. Am Wegesrand bieten 13 Hütten Schutz. Große Infotafeln an allen Hütten geben Auskunft über die Geschichte der Pilgerroute. Ein Muss für alle Pilger ist der handliche spiralgeheftete Wanderführer „Pilgerroute Ochsenweg“ mit seinen detailgenauen Karten im Maßstab 1 : 50.000 und vielfältigen Hintergrundinformationen. Den Wanderführer gibt es hier:
Gebietsgemeinschaft Grünes Binnenland e. V., Dorfstraße 8, 24963 Tarp, T 04638.898404, www.pilgerroute.com
„Ich bin dann mal weg“ – Hape Kerkelings Reisebericht vom Jakobsweg war ein Bestseller – und ist für Premieren-Pilger die perfekte Einstiegslektüre. Piper Verlag, 9,95 Euro (Taschenbuch).
Im Arnkiel-Park nahe Sankelmark stehen die beeindruckenden Großgräber von Munkwolstrup. Sechs Langbetten und ein Grabhügel ergeben das größte rekonstruierte Großsteingrab Nordeuropas. Rund um das Megalithgräberfeld führt ein Vor- und Frühgeschichtlicher Wanderpfad (www.arnkiel-park.de).
Die um 1200 aus Feldsteinen erbaute Kirche St. Petri in Sieverstedt war schon im Mittelalter Ziel der Pilger. Besonders beeindruckend: der 800 Jahre alte Taufstein und die spätgotischen Rankenmalereien an den Wänden.
1850 kämpfte am Idstedter See die schleswig-holsteinische mit der dänischen Armee. Heute lädt am Seeufer ein Badeplatz zum Chillen, Plantschen und Schwimmen ein. Informationen über die Schlacht von Idstedt und die Kriege von 1848 bis 1850 und 1864 gibt es in der Idstedter Gedächtnishalle.
Selbst viele Schleswiger wissen es nicht: Hinter Schloss Gottorf liegt ein zauberhafter Wald mit Bächen und Teichen, Hügeln und Tälern – der einst von den Gottorfer Herzögen angelegte und heute von einem gut beschilderten Wegenetz durchzogene Schleswiger Tiergarten.
Die Pilgerroute läuft weitgehend parallel zum Ochsenweg. Wissenswertes über die historisch bedeutsame Nord-Süd-Passage vermittelt Autor Dieter Brumm in seinem im Husum Verlag erschienenen Buch „Der Ochsenweg“ (8,95 Euro).